Neue Perspektiven für die Breitbandförderung
Die neue Bundesregierung fordert für Deutschland eine flächendeckende Verfügbarkeit von Glasfasernetzen bis in die Wohnungen. Heute haben fast zwei von drei Haushalten in Deutschland Zugang zu Gigabitanschlüssen, gleichzeitig treiben die Netzbetreiber den Glasfaserausbau immer weiter voran. Dazu investieren sie in den nächsten fünf Jahren knapp 50 Milliarden Euro. Damit stehen anders als noch vor einigen Jahren für den Glasfaserausbau – gerade auch im ländlichen Raum – ausreichend private Investitionsmittel bereit. Dennoch werden Gebiete übrigbleiben, in denen sich der privatwirtschaftliche Ausbau nicht lohnt. Dort müssen staatliche Fördergelder zum Einsatz kommen. In dieser Situation wird aktuell der Rechtsrahmen für die Förderung neu ausgerichtet.
Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einer Neufassung ihrer Breitbandleitlinien. Diese konkretisieren den rechtlichen Rahmen für nationale Förderregimes und stellen damit die Weichen für die künftige Breitbandförderung in Deutschland. Die Kommission hat in ihrem Entwurf für die neuen Leitlinien grundlegende Änderungen vorgeschlagen, die die ANGA in ihrer Stellungnahme teils kritisch bewertet:
- Überhöhte Aufgreifschwellen: Förderung soll nach den Vorschlägen der EU-Kommission künftig überall möglich sein, wo noch kein ultraschnelles Netz – mit einer Leistungsfähigkeit von mindestens 100 Mbit/s im Download – vorhanden ist. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen staatliche Gelder sogar dort eingesetzt werden können, wo zwar ein ultraschnelles Netz vorhanden ist, das aber nicht mindesten 1 Gbit/s im Down- und 200 Mbit/s im Upload leisten kann.
Damit schießt die Kommission über das Ziel hinaus. Prämisse für jede staatliche Förderung ist ein Versagen des Markts. In Gebieten, in denen bereits heute ein ultraschnelles Netz vorhanden ist, kann ein solches Marktversagen nicht bereits deshalb angenommen werden, weil noch keine Gigabit-Bandbreiten verfügbar sind. Der Wettbewerb und der privatwirtschaftliche Ausbau haben in den letzten Jahren bewiesen, dass der Markt den Schritt in die Gigabit-Versorgung in den meisten Fällen selbst geht. Wichtig ist jetzt vielmehr, die noch unterversorgten weißen Flecken zu erschließen. - Inkonsistente Förderziele: Während die Aufgreifschwellen im Vorschlag der Kommission überraschend hoch ausgefallen sind, fordert sie von geförderten Netzen teils deutlich zu wenig Leistung. In bestimmten Fällen wäre es möglich, ein Netz zu fördern, das weniger als 100 Mbit/s im Download leisten kann. Mit den Gigabit-Zielen der EU-Kommission ist dieser Ansatz nicht vereinbar; geförderte Netze müssen vielmehr so dimensioniert sein, dass sie auch künftige Bedarfe zukunftssicher erfüllen können.
- Kein Marktversagen im Upload-Bereich: Die Kommission möchte Förderung sogar dort einsetzen, wo ein Netz zwar 1 Gbit/s im Download, nicht aber im Upload leisten kann. Voraussetzung wäre, dass ein Bedarf für hohe Upload-Bandbreiten nachweisbar ist. Damit könnten existierende Gigabit-Netze mit Fördergeldern überbaut werden.
Die ANGA lehnt diesen Vorschlag nachdrücklich ab. Netzbetreiber reagieren mit ihren Produkten auf die Bedürfnisse der Kunden – sie erhöhen daher marktgetrieben die angebotenen Bandbreiten sowohl im Down- als auch im Upload. Wo Upload-Bandbreiten im Gigabitbereich noch nicht verfügbar sind, liegt damit nicht automatisch ein Marktversagen vor.
In Deutschland gibt es seit einem Jahr das Bundesförderprogramm zur Unterstützung des flächendeckenden Aufbaus von Gigabit-Netzen in grauen Flecken (Graue Flecken Förderung). Mit Auslaufen der aktuellen Förderrichtlinie Ende 2022 werden Anpassungen erforderlich. Insbesondere gelten ab 2023 höhere Aufgreifschwellen. Damit werden auf einen Schlag eine große Anzahl neuer Gebiete förderfähig. Umso wichtiger wird eine sinnvolle Priorisierung der Förderung auf Gebiete, in denen aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit kein eigenwirtschaftlicher Ausbau zu erwarten ist. Die im Koalitionsvertrag angelegte Potenzialanalyse als Priorisierungsinstrument ist daher so auszugestalten, dass Gebiete mit eigenwirtschaftlichem Ausbaupotenzial und dabei insbesondere solche Ortsteile, die bereits teilweise von Gigabitnetzen versorgt werden, von der Förderung zurückgestellt werden. Darüber hinaus ist in der Praxis sicherzustellen, dass getätigte oder geplante private Investitionen in Gigabitnetze geschützt werden, damit öffentliche Gelder nicht fehlallokiert werden. Insbesondere müssen Gebiete, in denen bereits Gigabit-Netze vorhanden sind, konsequent von der Förderung ausgenommen werden. Andernfalls droht der geförderte Überbau dieser Netze und damit die Entwertung der privaten Investitionen. Auch aus Gründen der Nachhaltigkeit gilt es, diesen geförderten Überbau zu vermeiden.
Die ANGA wird die aktuellen Entwicklungen in diesen Bereichen weiterhin eng begleiten und sich für den Vorrang des eigenwirtschaftlichen Ausbaus einsetzen.