EU Gigabit Infrastructure Act – Ausbau-Katalysator oder Bumerang?

Autor: Dr. Franziska Löw

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Kategorie: Breitband , Europa

2 Min. Lesezeit
Drei EU-Flaggen mit Fahnenmast rechts wehen bei blauem Himmel in Brüssel.
EU-Flaggen
Drei EU-Flaggen mit Fahnenmast rechts wehen bei blauem Himmel in Brüssel.
EU-Flaggen

Der europäische Gigabit Infrastructure Act (GIA) soll den Netzausbau beschleunigen. Als Nachfolger der EU-Kostensenkungsrichtlinie soll der GIA die Mitnutzung vorhandener Infrastrukturen beim Netzausbau neu regeln, den Ablauf von Genehmigungsverfahren beschleunigen, die Koordinierung von Baustellen ermöglichen und den Inhaus-Glasfaserausbau vorantreiben. Die ANGA sieht an vielen Stellen noch erheblichen Nachbesserungsbedarf am Entwurf der EU-Kommission. Einzelne Kompromissvorschläge der EU-Ratspräsidentschaft lassen für den anstehenden Trilog hoffen. Der im EU-Parlament zuständige ITRE-Ausschuss kommt der TK-Branche mit seinem Bericht wenig entgegen.

Ein zentraler Kritikpunkt am Entwurf der EU-Kommission ist, dass er die Besonderheiten nationaler Märkte nicht hinreichend berücksichtigt. Der mit Blick auf die Mitnutzung vorhandener Infrastrukturen gewählte „One-Size-fits-All“-Ansatz droht für Deutschland zum Bumerang zu werden, indem er missbräuchlichen Doppelausbau von Glasfasernetzen durch das marktmächtige Unternehmen erleichtert. Die ANGA fordert deshalb für das Trilogverfahren in Brüssel eine klare Haltung der Bundesregierung.

  • Eine generelle Zugangsverpflichtung für passive Netzinfrastrukturen würde vor allem dem marktmächtigen Unternehmen zugutekommen. Ökonomische Vorteile des erstausbauenden Unternehmens fielen weg, wenn jeder Wettbewerber Zugang zu den neuen Leerrohren des „First Movers“ verlangen könnte. Die Folge wäre schlimmstenfalls  eine (Re-)Monopolisierung im Glasfaserbereich.
  • Der Ansatz des GIA verkennt das enorme finanzielle Engagement der ausbauenden Unternehmen und schreckt Investoren ab. Hierzulande errichten derzeit die Wettbewerber des Marktbeherrschers fast 80 Prozent der jährlichen neuen Glasfaseranschlüsse. Ausbauende Unternehmen müssen daher gegenüber dem marktmächtigen Unternehmen die Mitnutzung ihrer Leerrohre ablehnen können, wenn sie stattdessen Alternativen, wie insbesondere Bitstromzugang, anbieten. Die spanische Ratspräsidentschaft hat hierfür einen sinnvollen Vorschlag vorgelegt.

Neue Hindernisse beim Ausbau drohen mit Blick auf die Vorschläge zur Lieferung von Baustellendaten. Die EU-Kommission möchte gerne eine breite Datenlieferungspflicht im GIA verankern. Betroffen wären de facto hochsensible Ausbauplanungsdaten, die bei privat finanzierten Baumaßnahmen nicht von den Unternehmen abgefordert werden sollten.

Die wichtigste Stellschraube bei der Beschleunigung des Ausbaus ist die Verkürzung der Dauer von Genehmigungsverfahren. In Deutschland liegt die Kompetenz der entsprechenden Vorgaben bei den Ländern. Um diese mit Nachdruck zum Handeln zu bewegen, bräuchte es eine klare und verbindliche Vorgabe aus Brüssel – die der GIA wohl leider nicht liefern wird. Erneut zeigt sich Brüssel zu ambitionslos, um die hier schlummernden Beschleunigungspotenziale zu heben.

Und schließlich sehen wir neue Herausforderungen mit Blick auf die Vorgaben zur Ausstattung von Gebäuden mit Breitbandnetzen. Derzeit stehen die Zeichen auf eine Glasfaserverpflichtung bei Neubauten und umfassenden Renovierungen. Solche Gebäude sollen ein „Fiber-Ready-Label“ erhalten können. Die ANGA unterstützt die Ausbauziele der EU und der Bundesregierung.  Ein Glasfaser-Label für Gebäude sehen wir allerdings kritisch, solange ungeklärt ist, wer die Kosten hierfür trägt. Verhindert werden muss, dass der FTTH-Ausbau künstlich verteuert wird. Ein Gütesiegel sollte außerdem alle gigabitfähigen Infrastrukturen honorieren. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 alle Haushalte mit Gigabitanschlüssen versorgen. Hierbei können verschiedene Technologien zum Einsatz kommen. Es erscheint daher unlogisch, im Inhaus-Bereich ausschließlich auf FTTH zu setzen.

Das Trilog-Verfahren, bei dem Kommission, Parlament und Rat einen gemeinsamen Kompromiss erarbeiten, startet in Kürze. Wir setzen uns weiterhin intensiv bei den verschiedenen Entscheidungsträgern für investitionsfreundliche Rahmenbedingungen und die Interessen unserer Mitgliedsunternehmen ein.