Die richtigen Weichen für den Glasfaserausbau stellen

Autor: Andrea Huber

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Kategorie: Breitband , Europa , Unkategorisiert

4 Min. Lesezeit
Digital-Gipfel
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Für die Telekommunikations-Netzbetreiber gibt es derzeit kein wichtigeres Gesetzgebungsvorhaben als den EU Gigabit Infrastructure Act (GIA). Er ist Teil des EU-Politikprogramms für die Digitale Dekade und wird als Verordnung unmittelbare Wirkung in Deutschland haben. Der GIA soll den Gigabitausbau beschleunigen. Damit wir die Ausbau bis zum Jahr 2030 erreichen, muss diese Verordnung die richtigen Rahmenbedingungen für den eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau schaffen.

Der GIA hat das Potenzial, den Turbo für den Ausbau zu zünden. Das gilt insbesondere für die Beschleunigung und Vereinfachung der Genehmigungsprozesse. Im Entwurf der EU-Kommission sind aber auch gefährliche Fallstricke angelegt. Diese müssen dringend in den Verhandlungen entfernt werden. Parlament und Rat diskutieren aktuell mit der Kommission über einen Kompromiss. Die Telekommunikationsunternehmen setzen auf die Bundesregierung, damit die Marktgegebenheiten und die Ausbausituation in Deutschland mehr Berücksichtigung finden.

Missbräuchlichen Doppelausbau verhindern
Der Vorschlag der EU-Kommission im GIA zur Mitnutzung sämtlicher vorhandener Infrastrukturen wäre für Deutschland ein Bumerang. Er würde den missbräuchlichen Doppelausbau von Glasfasernetzen durch das marktmächtige Unternehmen erleichtern. Anders als in vielen anderen Mitgliedsstaaten sind hierzulande noch nicht in großem Umfang Leerrohre vorhanden, die zu den Gebäuden führen und Glasfaserkabel aufnehmen können. Sie müssen in den meisten Fällen erst gebaut werden. Ökonomische Vorteile des erstausbauenden Unternehmens fielen weg, wenn insbesondere das marktmächtige Unternehmen Zugang zu den neuen Leerrohren des „First Movers“ zu unangemessenen Bedingungen verlangen könnte. Die Folge wäre schlimmstenfalls eine (Re-)Monopolisierung im Glasfaserbereich. Eine generelle Zugangsverpflichtung für passive Netzinfrastrukturen darf deshalb nicht vor allem dem marktmächtigen Unternehmen zugutekommen.

Der Ansatz des GIA verkennt aus unserer Sicht das enorme finanzielle Engagement der ausbauenden Unternehmen und schreckt Investoren ab. Hierzulande errichten derzeit die Wettbewerber der Telekom rund 60 Prozent der jährlichen neuen Glasfaseranschlüsse. Diese werden durch den drohenden missbräuchlichen Überbau abgeschreckt. Ausbauende Unternehmen müssen daher die Mitnutzung ihrer Leerrohre ablehnen können, wenn sie stattdessen für Zwecke des Nachfragers tragfähige Alternativen anbieten (z.B. Bitstromzugang, unbeschaltete Glasfaser). Der Schutz darf sich dabei nicht auf bereits  gebaute Netze beschränken, sondern muss auch im Bau befindliche Netze erfassen.

Entbürokratisierung vorantreiben
Die überlange Dauer von Genehmigungsverfahren ist ein Hauptgrund für langsamen Gigabitausbau in Deutschland. Wir brauchen volldigitalisierte Genehmigungsverfahren über eine zentrale Anlaufstelle („One-Stop-Shop“) bei möglichst kurzen Genehmigungsfristen und umfänglichen Vollständigkeits- und Genehmigungsfiktionen. Wenn wir dem Gigabitausbau nicht den politischen Vorrang vor anderen Interessen einräumen, werden wir die Ausbauziele nicht erreichen.

Es muss dabei auch sichergestellt werden, dass der Ausbau nicht durch starre bürokratische Meldeverfahren – zum Beispiel 3 Monate Vorlauf bei Meldung von Baustellen – und deren Verknüpfung mit Genehmigungen weiter verlangsamt wird. Die Pflicht für TK-Netzbetreiber zur Lieferung von Infrastruktur- und Baustelleninformationen muss verhältnismäßig ausgestaltet werden.

Technologieneutralität bei Inhaus-Netzen sichern
Auch mit Blick auf die Vorgaben zur Ausstattung von Gebäuden mit Breitbandnetzen sehen wir neue Herausforderungen. Derzeit stehen die Zeichen auf eine Glasfaserverpflichtung bei Neubauten und umfassenden Renovierungen. Solche Gebäude sollen ein „Fiber-Ready-Label“ erhalten können. Die ANGA unterstützt die Ausbauziele der EU und der Bundesregierung. Ein reines Glasfaser-Label für Gebäude oder gar die Verpflichtung für eine Gebäudeinfrastruktur ausschließlich aus Glas sehen wir allerdings sehr kritisch. Einerseits muss verhindert werden, dass der Glasfaserausbau künstlich durch die von den Netzbetreibern zu tragenden Kosten für das Gütesiegel verteuert wird, andererseits müssen ein Gütesiegel und der Ausbau von Breitbandnetzen alle gigabitfähigen Infrastrukturen einschließen. Sie müssen technologieneutral sein.

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 alle Haushalte mit Gigabitanschlüssen zu versorgen. Hierbei kommen verschiedene Technologien zum Einsatz. Es wäre unlogisch, nun innerhalb von Gebäuden aber ausschließlich auf Glasfaser zu setzen. Das gilt insbesondere, wenn in der vorgelagerten Netzebene noch gar kein Glasfasernetz verfügbar ist. Es würde schlimmstenfalls den Ausbau von Gigabitnetzen verlangsamen und widerspricht dem Ziel des Infrastrukturwettbewerbs. Schlussendlich würde diese Regelung zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger gehen.

Andere langfristig wettbewerbsfähige Technologien wie HFC (DOCSIS 3.1) dürfen beim Ausbau nicht benachteiligt werden. Im GIA sollte eine entsprechende Klarstellung aufgenommen werden. Hinzu kommt, dass eine klare Definition der Formulierung „umfassende Renovierung“ erfolgen muss. Sie sollte ausschließlich im Fall von Kernsanierungen Anwendung finden.

Schließlich sollte das für den Ausbau enorm wichtige Verfahren des GIA zügig zum Abschluss gebracht werden. Hierfür muss sich der Trilog auf die Vorschläge fokussieren, die den Netzausbau beschleunigen können. Nicht in die Diskussionen einbezogen werden sollten deshalb alle zweckfremden Bestimmungen wie eine erzwungene Angleichung EU-interner Anrufen und SMS an Inlandsverbindungspreise. Dieser Vorschlag entspricht nicht dem Zweck und Ziel des GIA, verzögert aber das Verfahren erheblich. Zudem gibt es keine Belege für ein Marktversagen bei der Bereitstellung von EU-internen Verbindungen, die eine so einschneidende Maßnahme rechtfertigen würden. Eine entsprechende Vorgabe würde den Unternehmen in der intensiven Investitionsphase Kapital entziehen. Der Ausbau würde damit verlangsamt, die Ziele des GIA konterkariert.

Wir brauchen einen Rechtsrahmen, der den Ausbau durch die Unternehmen stärkt und Investitionen unterstützt – in Europa und in Deutschland!